Furet: Die Philosophische Gesellschaft

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„Sie [i.e. die Philosophische Gesellschaft] ist eine Form der Sozialisation, deren Prinzip es ist, daß ihre Mitglieder, um darin eine Rolle zu spielen, jede konkrete Besonderheit und ihre wirkliche gesellschaftliche Existenz aufgeben müssen; sie ist das Gegenteil dessen, was man unter dem Ancien Régime Körperschaften nannte […]. Die Philosophische Gesellschaft zeichnet sich für jedes ihrer Mitglieder einzig durch ihr Verhältnis zur Welt der Ideen aus, und durch diese Eigenschaft läßt sie die Funktionsweise der Demokratie vorausahnen. Denn auch die Demokratie macht die Individuen in einem abstrakten Recht, das dazu ausreicht, sie zu konstituieren, einander gleich: Es ist die Staatsbürgerschaft, die jedem seinen Anteil an der Souveränität des Volkes gewährt und bestimmt.“ (p. 192f.) #Furet #PhilosophischeGesellschaft

Furet, François, 1789 (Siebzehnhundertneunundachtzig). Vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft. Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1980.

Furet: Reine Demokratie nach Rousseau

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„Rousseau denkt wie immer systematisch und kompromißlos; er drückt mit metaphysischer Tiefe die logischen Aporien der Demokratie aus: Gesellschaft und Macht müssen füreinander transparent sein. Zu dieser etwas verzweifelten Beweisführung, gleichsam der Fassade, bildet die Ideologie der »reinen Demokratie« die Kehrseite, den Hinterhof: ein fiktives System der Transparenz, das um den Preis einer Folge von imaginären Gleichungen aufgestellt wird, durch die das Volk mit der Meinung der Klubs, die Klubs mit der Meinung ihrer Anführer und die Anführer mit der Republik identifiziert werden.“ (p. 223) #Furet #Rousseau #reineDemokratie

Furet: Rousseau und die Revolution

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„Das Ironische an der Geschichte ist, daß die Revolution in dem Augenblick, als sie glaubte, die Ideen von Rousseau zu verwirklichen, im Gegenteil die Wahrheit seines Pessimismus bewies, d.h. den unendlichen Abstand zwischen dem Recht und dem tatsächlichen Sachverhalt, die Unmöglichkeit einer Vermählung der demokratischen Praxis mit der Theorie der Demokratie. Aus dieser fruchtbaren Diskrepanz – fruchtbar, weil sie unermüdlich mit Worten beschworen wird – entstand der geschwätzige Diskurs der zeitgenössischen Welt: nicht mehr nur die Theorie, sondern auch bereits die Ideologie von dem, was Rousseau ‚die strengste Demokratie‘ nannte.“ (p. 43) #Furet #Rousseau #Revolution #Demokratie

Furet: Philosophische Gesellschaft

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„Aber die philosophischen Gesellschaften errichten ein Modell der reinen, nicht der repräsentativen Demokratie: Der Wille der Gesamtheit ist zu jeder Zeit Gesetz. Ebenso verhält es sich bei der jakobinischen Ausweitung dieser Republik von Intellektuellen auf die Ebene der ganzen Nation“. (p. 195) #Furet #PhilosophischeGesellschaft